Gesundheitsschutz und optimale Qualität von Power Tools mit SIMULIA Simpack

veröffentlicht 30.03.2023

Handgehaltene Werkzeuge und Maschinen leiten Vibrationen in die Hände ein. Ab gewissen Schwellenwerten besteht die Gefahr, dass die Bediener an einem sogenannten vibrationsbedingten vasospastischen Syndrom („Weißfinger-Krankheit“) erkranken. In unserem Artikel erfahren Sie, wie Sie mit Simpack bei Ihren Produkten die Risiken durch Vibrationen abschätzen und eingrenzen sowie gleichzeitig wichtige Qualitätsmerkmale verbessern.

Redaktionsleitung
Dipl.-Ing. Nicole Meyer
Dipl.-Ing. Nicole Meyer
Senior Consulting 3DS-PLM | Redakteurin 3DS-PLM Technisches Magazin
Autor*in
Dr. Valentin Keppler
Dr. Valentin Keppler
Senior Consultant

Anforderung der Konformitätsbewertung

Schätzungen zufolge sind etwa 18 Prozent der Arbeitnehmer*innen in Deutschland Hand-Arm-Schwingungen (Frequenz: 8 bis 1.000 Hz) ausgesetzt. Bei über 3 Prozent der Betroffenen liegt dies sogar im gesundheitsgefährdenden Bereich (Mohr, 2004).

Um Risiken durch Vibrationen abschätzen und eingrenzen zu können, wurden deshalb Normen und Richtlinien definiert, wie beispielsweise die VDI-Richtlinie 2057, DIN EN ISO 5349 oder ISO 2631. Die Anforderungen an handgeführte Werkzeuge sind demnach umfangreich. Zum einen müssen sie hinsichtlich Ihrer Vibrationsbelastung optimiert werden, zum anderen sollen aber auch Qualitätsmerkmale wie beispielsweise der Energieverbrauch, die Leistungsabgabe, das Gewicht, der Bohrfortschritt oder die Standzeit kontinuierlich verbessert werden.

Mit Simpack validieren Sie externe und interne Anforderungen

Bei komplexen Maschinenmodellen, wie beispielsweise dem eines Bohrhammers mit seiner Vielzahl von Kontakten (siehe Abbildung 2), bietet sich die Methode der Mehrkörpersimulation (Multi Body System, MBS) zur Untersuchung des Vibrationsverhaltens an. Simpack ist die führende MBS-Technologie von Dassault Systèmes. Sie ist besonders geeignet für die Untersuchung von Schwingungen bis hin in den akustischen Bereich, da sie Bewegungsgleichungen in Minimalkoordinaten einsetzt und einen hocheffizienten Integrator verwendet und deshalb ohne numerische Dämpfung auskommt.

Realistische Abbildung der Kopplung von Mensch und Maschine

Speziell bei den handgeführten Werkzeugen ist für die Simulation aber auch ein valides Bedienermodell nötig, da sich die Vibrationswerte nur bei realistischer Abbildung der Kopplung zwischen Anwender und Maschine berechnen lassen. Ferner stellt sich beispielsweise bei Bohrhämmern ein stabiler Schlagzyklus erst bei einer realistischen Andruckkraft ein.

Für die eindimensionale Simulation von Power Tools (zum Beispiel Schlagrichtung) kann ein auf der DIN 45677 basierendes 3-Massen-Schwinger Bediener-Modell eingesetzt werden. Die Parameter dieses Modells wurden empirisch ermittelt und bilden eine aus diversen Literaturwerten gemittelte Eingangsimpedanz des menschlichen Hand-Arm-Systems ab (Abbildung 3). Die so ermittelten Steifigkeiten oder Massen dieses DIN-Modells sind nicht mit einem physikalischen Modell des menschlichen Arms oder der Hand begründet.

Unter Verwendung dieses 3-Massen-Schwinger Modells sind realistische 3D-Simulationen zur Berechnung der triaxialen Vibrationswerte nur unter großem Aufwand machbar. Bereits im eindimensionalen Fall müssen die Federn so vorgespannt werden, dass die gewünschte Andruckkraft während des Bedienvorgangs wirkt.

Im 3D-Fall müssen die Federn zudem so vorgespannt werden, dass auch die Orientierung während der gesamten Simulation eingehalten wird. Bei der Durchführung von Parameteroptimierungen oder einer DOE (Design of Experience) besteht so die Gefahr, dass unerkannt die Andruckkraft aus dem gewünschten Bereich abdriftet oder gar die Orientierung der Maschine instabil wird (Abbildung 4).

Erfahrungsgemäß liefert eine 1D-Simulation keine aussagekräftigen Vibrationsbelastungen, da die Vibrationen zum Beispiel beim Bohrhammer stark in den Achsen koppeln. Oft sind sogar die Werte in der Griffachse höher als in der Schlagrichtung. Ebenfalls werden bei der Auslegung von Power Tools immer häufiger Methoden wie DOE der Optimierung für die Identifikation von geeigneten Parametern erforderlich.

Für eine realistische Abbildung der Kopplung von Mensch und Maschine ist es deshalb sinnvoll und ratsam, ein realistisches 3D-Bedienermodell einzusetzen, welches auf den physikalischen bzw. biomechanischen Eigenschaften des menschlichen Körpers beruht.

Simpack ermöglicht die optimale Auslegung von Power Tools

Simpack bietet mit dem "Biomotion Hand-Arm-Controller" das einzig derzeit auf dem Markt verfügbare geregelte 3D-Bedienermodell an (Abbildung 1). Das biomechanische 3D-Anwendermodell kann die Maschinenmodelle ein- oder zweihändig führen. Die Abbildung verschiedenster Arbeitshaltungen ist ebenso möglich wie die Berücksichtigung von einzuhaltenden Andruck-Kräften.

Die Vorteile liegen auf der Hand:

  • Anders als bei der Lösung mit dem 1D-Drei-Massen-Schwinger Bedienermodell entfällt die jeweilig neue umständliche iterative Einstellung der Nominal-Kräfte der Federn, und die Arbeitshaltung wird in 3D zuverlässig gehalten.
  • Im Gegensatz zum Versuch mit menschlichen Probanden können mit diesem Bedienermodell verschiedene Varianten unter reproduzierbaren Randbedingungen simuliert werden und im Hinblick auf die wesentlichen Gütekriterien bewertet werden.

Optimierung und „Design of Experiments“

Die Vorteile des 3D-Bedienermodells – Stabilität und Reproduzierbarkeit – ermöglichen so die Anwendung automatisierter Prozesse zur Optimierung der Maschine im Hinblick auf die Vibrationsbelastung (ISO 5349-1:2001 bzw. VDI 2057-2:2002). Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Optimierung der Effektivität oder der Sicherheit von handgeführten Mechanismen. Betriebszustände, die nicht gemessen werden können, lassen sich in der Simulation untersuchen (beispielsweise Kickback Kettensäge).

Wie ein Workflow zur Optimierung von Modellparametern mittels Simpack und ISIGHT aussehen könnte, wurde von CENIT, Biomotion Solutions und einem namhaften Hersteller von Powertools auf dem NAFEMS World Congress 2021 in Salzburg (Keppler 2021) vorgestellt.

Eine gutes Team: Simpack und ISIGHT

Die Erfahrung zeigt, dass die Prozessautomatisierung mit Tools wie ISIGHT eine perfekte Ergänzung für Mehrkörpersimulationssoftware (MKS) darstellt, da MKS-Modelle in der Regel (relativ) kurze Simulationszeiten, aber eben auch oft eine große Anzahl an Modellparametern haben.

Die Parameteridentifikation mittels ISIGHT ist um einiges effektiver als ein „manueller“ Ansatz, der am großen Parameterraum zuvor scheiterte. ISIGHT bietet Zugriff auf jeden Simulationslauf, der während der Optimierung durchgeführt wird. So kann man bei gegebenenfalls unerwartetem Verhalten von Prozessobservablen jederzeit mit den gespeicherten Prozessvariablen beispielsweise eine Animation (siehe Animation 1) anschauen oder ein Simpack-Pilotprojekt auswerten.

 

Quellen / Weitere Fachbeiträge
(Mohr 2004) Mohr, D.: Einfache Methode zur Beurteilung von Ganzkörper- Schwingungen. Humanschwingungstagung, 17. bis 18. März 2004, Darmstadt. VDI Bericht 1821, S. 271-300. Düsseldorf: VDI-Verlag 2004.

(Keppler 2021) Keppler, V. Deployment of software tools for simulation based design of rotary hammers NAFEMS 2021 World Congress – 25-29 October, Salzburg

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