SaarGummi Automotive: Arbeitserfolg leicht(er) gemacht – Schlaues IT-Konzept in der Entwicklungsabteilung

An allen Orten und in allen Systemen Echtzeit-Daten für die Mitarbeiter

Veröffentlicht 27.01.2021

Wenn ein Autobauer für sein neuestes Modell Dichtungssysteme beauftragt, dann möchte das Entwicklungsteam von SaarGummi sicherstellen, dass die Entwicklungsarbeit im Prozess und im Ergebnis ganz den Kundenwünschen entspricht. Daher setzt sich Christian Kast, gesamtverantwortlich für die Entwicklungsaktivitäten der SaarGummi Group, gemeinsam mit seinen Kollegen, Dr. Lukas Nowicki in dessen Funktion als Head of Global Product Design sowie dem Entwicklungs-IT Spezialisten Martin Mörsdorf, in dem Bereich der Produktentwicklung für eine vorausschauende Weiterentwicklung der IT-Landschaft ein. Wir sprachen mit Dr. Lukas Nowicki über die Herausforderungen und Strategien, die SaarGummi als Tier-1-Supplier verfolgt.

SaarGummi Automotive: Arbeitserfolg leicht(er) gemacht – Schlaues IT-Konzept in der Entwicklungsabteilung

SaarGummi Automotive ist der größte Geschäftsbereich der SaarGummi Group, die in 13 Ländern und an 23 Standorten weltweit rund 6.400 Mitarbeiter beschäftigt.

Jährlich rund 100.000 Entwicklungsstunden

Zur Abteilung der Produktentwicklung bei SaarGummi gehören rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; das Unternehmen verfügt über drei Entwicklungszentren – in Deutschland, China und Indien. Das internationale Team begleitet die Projekte der Kunden, wenn sie neue Modelle für den Start der Serienfertigung vorbereiten oder bei bestehenden Fahrzeugtypen, z.B. auf Grund eines Facelifts, Änderungen an den Dichtungssystemen vornehmen müssen.

Als eines der weltweit führenden Unternehmen im Karosserieabdichtungsbereich punktet SaarGummi mit umfassendem Materialwissen, Exzellenz in der Ingenieursarbeit und leistungsstarken Softwaretools für Simulationen. Mit jährlich rund 100.000 Entwicklungsstunden wird sichergestellt, dass Anforderungen an Funktion, Design, Gewicht und Kosten gleichermaßen berücksichtigt sind. Auch die Thematik, Dichtungssysteme mit einem möglichst geringen CO2-Footprint zu entwickeln, gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. OEMs werden hier bei einer bestmöglichen Umsetzung ihrer Ideen und Lastenheftvorgaben begleitet.

Immer häufiger Tests mit virtuellen Prototypen

Lukas Nowicki berichtet: „Die Bedeutung der digitalen Simulation hat stark zugenommen, virtuelle Prototypen sollen heute bei Bedarf alle Erkenntnisse liefern, die man in der Vergangenheit bei realen Tests gewann. Noch vor rund zehn Jahren war es üblich, das Dichtungssystem für ein Fahrzeug innerhalb von 30 Monaten zur Serienreife zu bringen. In dieser Zeit gab es typischerweise zwei reale Prototypen-Phasen mit bis zu 200 Prototypenfahrzeugen. Dabei wurden die Karosseriedichtungssysteme der Prototypenfahrzeuge während der Erprobungsphase gleichermaßen bei -40°C am Polarkreis sowie bei +50°C in der Wüste bis an ihre Belastungsgrenzen getestet. Auch waren Dauerlauferprobungen üblich, in welchen z.B. eine Fahrzeugtür bis zu 100.000mal geöffnet und geschlossen wurde, um so die Belastung der Tür im Taxi-Betrieb abzusichern. Der Einsatz dieser Methodik hat immer weiter abgenommen; irgendwann gab es nur noch eine Prototypen-Phase. In den letzten beiden Jahren hatten wir sogar Projekte, bei denen Unternehmen – Start-Ups, aber auch OEMs – ganz auf Prototypen-Phasen verzichtet und die Erprobung der Fahrzeuge rein virtuell durchgeführt haben.“

Schneller am Markt mit Simulation

Eine Folge dieses Trends für die IT ist der wachsende Bedarf an Rechenleistung. Für digitale Material und Funktionstests muss leistungsstarke Hardware zur Verfügung stehen, damit Methoden wie die Finite-Elemente-Analyse effizient umzusetzen sind. Das gilt für Zulieferer wie SaarGummi, die produktspezifische Nachweise beisteuern, ebenso wie für OEMs beim virtuellen Crashtest des gesamten Fahrzeugs.

Das Ziel der Autobauer ist natürlich, ihre Time-to-Market-Leistung zu verbessern. Und tatsächlich hat sich der gesamte Entwicklungsprozess deutlich verkürzt. Im Schnitt geht Nowicki heute von 21 Monaten aus, hat allerdings auch bereits Projekte erlebt, in welchen sich die Fahrzeughersteller ein Ziel von eineinhalb Jahren gesetzt haben. Branchenneulinge, die diesen Zeitraum weiter reduzieren wollten, mussten sich hingegen eingestehen, dass eine nochmals verkürzte Entwicklungszeit für die Komplexität eines Dichtungssystems im Fahrzeugbau eben doch nicht ausreicht.

Mehr Datenaustausch braucht mehr Datenschutz

Bei der Digitalisierung, so heißt es, nehme auch die Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg zu. Nowicki bestätigt dies: „Die Autobauer möchten, dass wir uns für einige Arbeitsschritte direkt auf ihr System aufschalten. Das betrifft nicht nur das Ablegen fertiger CAD-Daten, sondern auch Vorgänge wie das Verwalten oder Freigeben von Bauteilen.“ Immer häufiger spiele sich diese Zusammenarbeit unter Beteiligung bzw. anhand der Nutzung einer Cloud ab, fügt er hinzu.

Im gleichen Maße, in welchem die Automobilbauer Daten entlang vernetzter Wertschöpfungsketten anreichern, verknüpfen und verfügbar machen, intensivieren sie auch ihre Vorsorge bezüglich der Vulnerabilität dieser Strukturen. Ein Zusammenschluss der europäischen Autobauer hat dafür hohe Sicherheitsstandards beim Umgang mit vertraulichen Informationen wie z. B. Fahrzeug-CAD-Daten oder realen Prototypenbauteilen aufgelegt. Die SaarGummi-Entwicklungsabteilung war dabei durch die strengen Vorgaben in besonderer Weise gefordert und hat die Einhaltung der hohen Sicherheitsstandards schließlich durch eine Zertifizierung unter Beweis gestellt.

Zentralisierung der Daten und der Lizenzhaltung

Das Entwicklungsteam von SaarGummi macht seinen Bereich fit für den tiefgreifenden Wandel in der Branche und hat daher ein Gesamtmaßnahmenpaket auf den Weg gebracht. Ein Schwerpunkt der Aktivitäten bezüglich des Updates von IT-Architektur und Software liegt in der Zentralisierung der Daten und der Lizenzhaltung. Bis vor kurzem hatte jedes der drei Entwicklungszentren ein eigenes PDM-System und die Daten wurden jeweils über Nacht zwischen Indien, China und Deutschland synchronisiert.

Das sieht bald anders aus. Die Arbeitsumgebung in der Entwicklung wird dann weltweit zentral gesteuert. In Deutschland ist die Neuerung bereits seit Beginn 2020 produktiv. Anfang 2021 folgen die Anbindung der Entwicklungszentren in China und Indien.

SaarGummi setzt auf den virtuellen Desktop

Dr. Lukas Nowicki erklärt: „Die zu Grunde liegende Technologie nennt sich Virtual Desktop Infrastructure (VDI). Wir haben einen Master, den wir für unsere Kollegen weltweit klonen. Wenn wir Änderungen vornehmen, wie das Rollout einer neuen Anwendung, dann geschieht das in diesem Master und am nächsten Morgen findet jeder Nutzer die neue Software oder eine veränderte Einstellung exakt so an seinem CAD-Arbeitsplatz vor. Damit dies möglich ist und reibungslos bzw. verlustfrei umgesetzt werden kann, hat Christian Kast vor drei Jahren die Funktion der ′Entwicklungs-IT′ geschaffen und in meinem Verantwortungsbereich angesiedelt. So bin ich für zukünftige Anforderungen bestens gerüstet.“

Der Master bzw. das „Golden Image“ wird in einem Rechenzentrum von SaarGummi gehostet. Alle Applikationen, die den Usern zur Verfügung gestellt werden, sind dort enthalten.

Meldet sich ein/eine Entwicklungsingenieur/Entwicklungsingenieurin an seinem/ihrem PC an, wird per Video-Streaming ein virtueller Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt. Die Eingaben des Users am realen Endgerät werden auf demselben Weg übertragen – man bedient den virtuellen Rechner sozusagen mit virtueller Maus und Tastatur.

Systeme einfach pflegen, Daten sicher verwahren

SaarGummi senkt mit VDI den Aufwand für die Verwaltung der weltweiten Benutzerlandschaft in der Entwicklungsabteilung erheblich.

Ein wichtiger Pluspunkt ist zudem die Datensicherheit: „Das ′Golden Image′ befindet sich mit allen Daten und Applikationen im Rechenzentrum. Die Daten verlassen das Rechenzentrum nicht, denn der User erhält ja nur ein Abbild seiner Applikationen per Videoübertragung. Schadhafte Software, die die Sicherheit gefährden könnte, kommt gar nicht erst an die Daten heran“, erklärt Lukas Nowicki.

Das ist nicht nur ein zentrales Argument für SaarGummi, sondern auch bei der Bewertung der Partner: „VDI hat entscheidend zur Erfüllung der IT-Sicherheitsstandards beigetragen“, so Nowicki weiter.

Ortsunabhängig arbeiten – auch in der Entwicklung möglich

Und welche Erfahrungen machen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem notwendigen Internetzugang? „Mit einem Standard-Internetzugang kann man verlustfrei arbeiten“, freut sich Nowicki, „das Arbeitserlebnis ist so flüssig, als wäre man vor Ort im Büro, weil die Nutzung der VDI-Umgebung keine superschnelle Leitung voraussetzt. Die Möglichkeit, das Team ′remote′ arbeiten zu lassen, war vor allem während der Pandemie ein großer Vorteil. Nicht nur, dass wir, soweit es erforderlich war, sofort auf ′mobile working′ umstellen konnten. Es ging sogar soweit, dass wir Kunden im Notfall bei ihren Arbeitspaketen unterstützt haben.“

VDI bringt aus Sicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch weitere Arbeitserleichterungen. Sie haben eine Anwendungslandschaft, die automatisch up-to-date und synchron mit ihren Aufgaben ist. Sie können sich einfacher untereinander abstimmen oder beraten, weil alle über die gleichen Oberflächen verfügen. Und ein wertvoller Beitrag in der Kunden-Betreuung und Akquise ist: Sie haben jederzeit Zugriff auf alle für sie freigeschalteten Daten aus dem System. Davor wurden vor einem Termin alle nötigen Unterlagen im Offline-Modus heruntergeladen – in der Hoffnung, dabei alle Eventualitäten bedacht zu haben.

Nächster Schritt: Systeme integrieren und Daten automatisch updaten

Bezüglich der Effizienz der Arbeit und der Modernisierung der Arbeitsmittel in der Entwicklungsabteilung hat SaarGummi Automotive schon viel erreicht. Doch dabei allein soll es nicht bleiben.

Auf der Agenda für 2021 stehen die nächsten Meilensteine auf dem Weg zum „Single Source of Truth“-Prinzip: Es gibt jede Information nur einmal und sie wird automatisiert von System zu System übergeben und verarbeitet.

Darin sieht das Entwicklungsteam von SaarGummi ein wichtiges Verbesserungspotential: „Heute wandert dieselbe Information von System zu System oder von Excel zu Excel, mitunter händisch. Das ist zum einen aufwändig und zum anderen fehleranfällig. Bei Datenupdates durch Änderungen zum Beispiel muss eine Information in allen Systemen, die sie verzeichnet, eingepflegt werden.“

Um dies für SaarGummi Automotive zu ändern, müssen die vorhandenen Systeme integriert werden – zunächst innerhalb der Abteilung, dann in anderen Bereichen.

Diese Integrationen sind notwendig, weil es auch in Zukunft Inseln innerhalb der IT-Architektur geben wird, die im Sinne der digitalen Kontinuität zur digitalen Plattform verbunden werden müssen: „Wir setzen zum Beispiel in der Kalkulation, im Vertrieb, im Projektmanagement oder in der Qualitätsprüfung auf fachspezifische Anwendungen. An die notwendigen Schnittstellen wird bereits beim Einkauf von Software gedacht“, erklärt Nowicki.

Und die Cloud? Diese kommt, unterstützt durch neue Perspektiven, aus anderen Branchen

Bleibt die Frage, ob auch SaarGummi Anwendungen systematisch in die Cloud verlegt. „Erste Tests sind angelaufen“, verrät Nowicki, „wir sind aktuell in der Findungsphase und prüfen, welche Installationen cloud-fähig wären, für welche Prozesse es Sinn macht und was uns die Migration kosten würde.“

Diese Offenheit hat Stelios Valtzis, Director Global IT bei SaarGummi, aus seiner nachgewiesenen Erfolgsbilanz der digitalen Transformation und Arbeitserfahrung in verschiedenen Branchen wie Telekommunikation, Schifffahrt, Gesundheitswesen und Militär mitgebracht. Er sagt: „vor einigen Jahren war es in unserer Branche noch undenkbar, irgendwo außerhalb Firmendaten abzulegen.“

Für diese und andere Grundsatzentscheidungen hat Valtzis den Abteilungen als Orientierung in der digitalen Transformation ein Regelwerk an Hand gegeben, welches konkrete Vorgaben beinhaltet. Hinter all dem steht das große Ziel, innerhalb des Unternehmens zu einer globalen Vereinheitlichung mit Hilfe gewisser Standards zu gelangen.

Auf SaarLexa dürfen wir nicht hoffen…

Wenn man Nowicki zuhört, scheinen alle Herausforderungen der digitalen Transformation schon gelöst oder sie sind demnächst in Bearbeitung.

Hat er selbst noch Wünsche? „Was tatsächlich erstrebenswert wäre, ist eine künstliche Intelligenz für die Fachinhalte bei SaarGummi, also eine eigene Siri oder Alexa. Statt in Lessons-Learned-Dateien oder Wikis zu surfen, fragt der Mitarbeiter einfach bei unserer unternehmensinternen KI nach.“

Also dürfen wir im nächsten Jahr über die SaarLexa berichten? „Hier vorauszugehen müssen wir anderen Unternehmen überlassen“, winkt Nowicki lachend ab. „Unsere Pionierleistung galt der Virtual Desktop Infrastructure, für die wir erfolgreich die erste Branchen-Referenz erarbeitet haben.“

 

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